Vom 15.-20. Juni fand in Tallinn, Estland die Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) statt. Lydia Funck war als Beobachterin für Church and Peace (Organisation in Partnership) mit dabei.

Zum Thema „Unter Gottes Segen – die Zukunft gestalten“ lud die KEK Delegierte und Gäste aus ganz Europa zur Vollversammlung ein. In gemeinsamem Gebet, Diskussionen und Impulsreferaten, die nicht nur aus dem kirchlichen Bereich stammten, wurden verschiedene Aspekte der Rolle reflektiert, die die Kirchen in einem künftigen Europa spielen können und müssen. „Die ökumenische Vision, die nach einer Welt der Teilung und des Konflikts begann, ist heute so wichtig wie eh und je,“ betonte der ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomäus I in seinem Impuls. Als ökumenische Aufgabe in einem zukünftigen Europa resümierte er: „Wir sollten auf eine Zivilgesellschaft in Europa hoffen und für sie arbeiten, in der das Gemeinwohl alle Grenzen überwindet. Wir sollten auf ein Europa hinarbeiten, in dem Christ*innen – und alle Menschen guten Willens – nach Gerechtigkeit streben und den Fremden willkommen heißen.“

Belarussische Oppositionsführerin betont Gewaltfreiheit

Sviatlana Tsikhanouskaya, Oppositionsführerin in Weißrussland, sprach zum Thema „Was können die Kirchen in der europäischen Gesellschaft bieten?“ Als Anführerin einer gewaltfreien, von Frauen geführten Revolution für Demokratie im Jahr 2020, betonte sie „Liebe als heilende Kraft für Frieden gegen toxische Gewalt“ und „Gebet und Glaube als Waffen gegen staatliche Gewalt“. Trotz der vollständigen Unterdrückung der Revolution durch die russische Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 haben die Belaruss*innen ihren Glauben und ihre Überzeugung von Gerechtigkeit, Recht, Moral und Gewissen nicht verloren. Opposition ist mit extremen persönlichen Risiken verbunden, und auch leitende Personen in Kirchen werden davon nicht verschont. Dies ist für sie ein Beweis dafür, dass die Diktatur Angst vor Menschen hat, die zu ihrem Glauben stehen.

Die Gewaltfreiheit, so machte sie deutlich, sei auch heute noch gültig, denn ohne Frieden könne der Krieg nicht gewonnen werden. Der Sieg müsse ein politischer und moralischer, d.h. gewaltfreier, Sieg sein. Sie rief die Kirchen dazu auf, an ihren zentralen Werten und Aufgaben festzuhalten, sie zu lehren und zu bezeugen: Heilung von Wunden, geschwisterliche Liebe und Gewaltfreiheit.

Anhörungen zur Ukraine: „Uns gehen die spirituellen Ressourcen aus“

In zwei Anhörungen zum Krieg in der Ukraine mit Vertreter*innen der dortigen Kirchen und jungen Menschen (aus der Ukraine und Belarus) teilten Diskutant*innen ihre Perspektiven zur Rolle von Kirchen bei der Transformation von Gewalt und als Gestalter einer Nachkriegsgesellschaft. In den Vorträgen und Anhörungen, die es online nachzuschauen und teilweise nachzulesen gibt (https://2023cecassembly.org/article/documents) wurde sehr oft der Wunsch nach einem Ende des Krieges und Frieden, wie zu erwarten mit Wunsch nach dem kriegerischem Sieg der Ukraine, geäußert, aber an überraschend vielen Stellen wurde auch immer wieder die Notwendigkeit der Gewaltfreiheit betont.

Ein Beitrag von Bischof Zan-Fabian der reformierten Kirchen in Transkarpathien (Westukraine), Minderheitenkirche mit Wurzeln in Ungarn, ist mir hängen geblieben, der aus anderer Perspektive auf den Krieg blickt. Er sagte: „Uns gehen die Ressourcen aus! Aber ich meine nicht materielle Güter, sondern die spirituellen Ressourcen.“ „Ich bin überzeugt, dass Frieden nur aus Liebe und Versöhnung auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte entstehen kann.“ Sein Impuls auf Deutsch kann ab Minute 19:40 auf YouTube angeschaut werden: https://www.youtube.com/live/hcEY9T92hbg?feature=share&t=1180.

Pathways to Peace

Vorgestellt und diskutiert wurde während der Vollversammlung auch die „Pathways to Peace Initiative“ (P2P-Initative) der KEK. Die Initiative begann im Herbst 2022 mit einer Reihe von Konsultationen mit Fachleuten aus der Ukraine und der weiteren Region sowie mit Mitgliedskirchen der KEK und ist nun dabei, Ideen zu konkreten Aktivitäten und Projekten zu entwickeln. Sie will das Engagement der Kirchen in Europa für Frieden und Versöhnung in der Ukraine bündeln und sichtbar machen. Ziel von P2P ist es, durch Synergien zwischen Kirchen und relevanten Partnern die Reaktion der europäischen Kirchen auf den Krieg gegen die Ukraine zu verstärken.

„Die Vollversammlung verurteilte unmissverständlich den brutalen Einmarsch Russlands in die Ukraine und die Zerstörung von Leben, Territorium und internationalen Beziehungen – den gewaltsamen Zusammenbruch der Nachkriegsordnung, in der die Rechtsstaatlichkeit an erster Stelle stand. Sie hörte ein starkes Zeugnis ukrainischer Christ*innen, die direkt vom Krieg betroffen sind, und einen eindringlichen Appell für Gebet und praktische Begleitung in der Zukunft,“ ist in der Botschaft der Vollversammlung festgehalten. Die P2P-Intitiative soll diesen Ansatz der Vollversammlung, Kirchenleitende und andere Christ*innen aus der Ukraine und der Region zusammen zu bringen und Gelegenheit zu einem ehrlichen ökumenischen Austausch zu bieten, fortsetzen und ausbauen.

Öffentliche Erklärungen und neue KEK-Leitung

Zu drei wiederkehrende Themen auf der Versammlung wurden vom Ausschuss für Öffentliche Angelegenheiten Erklärungen verfasst: Der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise, Migration und das Sterben an den europäischen Grenzen. https://2023cecassembly.org/article/cec-assembly-issues-statements-ukraine-climate-change-and-migration

Seit der Vollversammlung hat die Konferenz Europäischer Kirchen eine neue Leitung: S.E. Erzbischof Nikitas von Thyateira und Großbritannien vom Ökumenischen Patriarchat wurde zum Präsidenten gewählt, und Rt Rev. Dr. Dagmar Winter (Anglikanische Kirche) und Rev. Frank Kopania (Evangelische Kirche in Deutschland) zu Vizepräsident*innen.

Church and Peace-Generalsekretärin Lydia Funck (dritte von rechts) mit Teilnehmenden anderer Organisations in Partnership mit der Konferenz Europäischer Kirchen bei der Vollversammlung in Tallinn, Estland, im Juni 2023.

Teilnehmende der Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen 2023

 Bischof Zan-Fabian der reformierten Kirchen in Transkarpathien (Westukraine) bei der Anhörung zur Ukraine.