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Wethen, 30.10.2024 „In den Aufgabenbeschreibungen der zukünftigen EU-Kommissar*innen muss ‚Versöhnung‘ und ‚Frieden‘ als politisches Leitbild benannt werden“, fordert das europäische friedenskirchliche Netzwerk Church and Peace. „Wir rufen die Europaparlamentarier*innen dazu auf, in den Anhörungen vom 4. bis 12.11. die Kandidat*innen auf ihre entsprechende Kompetenz hin zu befragen und die Überarbeitung der Dossiers zu fordern.“ (1)

„Die strategische Agenda der EU für die nächsten fünf Jahre, die politischen Leitlinien für die neue Europäische Kommission sowie die Aufgabenbeschreibungen für die designierten Kommissar*innen werden von zwei Prioritäten beherrscht:
1) Wettbewerbsfähigkeit und 2) Sicherheit und Verteidigung. (2)

Konkrete Vorschläge zur Förderung des Friedens fehlen in allen Texten, in denen die strategischen Prioritäten der EU für die nächsten fünf Jahre erklärt werden.“ stellten die Teilnehmenden der Europäischen Konferenz von Church and Peace vom 24. bis 27.10.24 in Brüssel fest.

Dies widerspricht elementar dem Gründungsgedanken und dem Europäischen Verfassungsvertrag (vgl. Art. 3.1 EUV und Art. 21(2)c) (3), zumal die EU als Trägerin des Friedensnobelpreises 2012 für ein umfassendes Verständnis von Sicherheit und Frieden stehen müsste. Wo ein auf Verteidigung fokussiertes Verständnis von Sicherheit mit industrieller Wettbewerbsfähigkeit verknüpft wird (4), sind problematische Folgen vorprogrammiert.

Dazu gehört einerseits, dass massive Aufrüstung die Ressourcen bindet, die dringend zur Bekämpfung der Konfliktursachen notwendig sind und stattdessen neue Konfliktherde schafft. So hat die EU für die Jahre 2021-2027 rund 12 Mrd. EUR für den Europäischen Verteidigungsfonds und andere verteidigungsbezogene Finanzhilfen bereitgestellt. Die Gesamtverteidigungsausgaben aller EU-Mitgliedstaaten zusammen haben allein im Jahr 2023 ein Rekordniveau von 270 Mrd. EUR erreicht, in 2022 waren es noch 240 Mrd. EUR.

Gleichzeitig werden für wichtige Bereiche wie Entwicklung oder humanitäre Hilfe bereitgestellte Finanzmittel gekürzt. Der Entwurf des Haushaltsvorschlags für die Jahre 2025-2027, der gerade verhandelt wird, sieht eine Kürzung der Entwicklungsausgaben um 2 Mrd. EUR vor, wobei die Mittel für die am wenigsten entwickelten Länder im Zeitraum 2025-2027 im Vergleich zu den für 2021-2024 bereitgestellten Beträgen um durchschnittlich 35 % gekürzt werden sollen.

Eine weitere problematische Konsequenz der Verknüpfung ist, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Rüstungsindustrie verbessert und die Hindernisse beseitigt werden sollen, die ihr im Wege stehen – wie etwa Rüstungskontrollmechanismen. Militärische Sicherheit und Verteidigung sind sensible Bereiche mit der Gefahr des Missbrauchs – sei es durch Staaten oder Unternehmen. Rüstungsgüter den unregulierten Marktmechanismen zu überlassen, ist unverantwortlich, insbesondere, wenn man an Militärtechnologien, wie z.B. autonome Waffen, Drohnen, Energiewaffen oder Weltraumverteidigungsfähigkeiten denkt.

Auf diesem Hintergrund plädiert Church and Peace für die Entwicklung einer parlamentarischen interfraktionellen Arbeitsgruppe für Frieden, sowie einer ‚Europäischen Friedensstrategie‘ für die gesamte EU und ihre Institutionen zur Förderung der menschlichen Sicherheit und des Friedens. Sie könnten dazu beitragen, die zivilen friedensfördernden Maßnahmen der EU zu stärken und ihre Kapazitäten in den Bereichen präventive Diplomatie, Mediation und Versöhnung auszubauen – sowie sich auch den „vergessenen“ oder „unsichtbaren“ Konflikten und ihren humanitären Auswirkungen zuzuwenden.

Church and Peace empfiehlt deshalb den Mitgliedern des Netzwerks und allen Engagierten, die Europaparlamentarier*innen aufzufordern, bei den Anhörungen der designierten Komissar*innen zwischen dem 4. und 12. November diese auf ihre jeweiligen Visionen und konkreten Konzepte im Blick auf eine nachhaltige globale Friedensstrategie der EU hin zu befragen. Die neue EU-Kommission und ihre Prioritäten werden das Handeln in den nächsten fünf Jahren maßgeblich bestimmen – ein Zeitraum, der für die nächsten Jahrzehnte entscheidend sein kann!

(3) ‚Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.‘ https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:2bf140bf-a3f8-4ab2-b506-fd71826e6da6.0020.02/DOC_1&format=PDF

 

Pressekontakt:
OKRin i.R. Antje Heider-Rottwilm, Vorstandsvorsitzende Church and Peace, +49 172 5162 799

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