Wethen, 04. November 2024 – „Heute mehr denn je müssen wir die russischen Kriegsdienstverweigerer unterstützen – Männer, die sich weigern, die Waffen zu ergreifen und Wladimir Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen.“ Das forderte die belarussische Menschenrechtsaktivistin Olga Karach während der Konferenz des europäischen friedens-kirchlichen Netzwerks Church and Peace vom 24.-27.10. 2024 in Brüssel zum Thema „Heute dem Krieg widerstehen – Kollektive gewaltfreie Alternativen vorbereiten“.
Olga Karach lebt seit Jahren im Exil in Litauen und kämpft u.a. für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in Belarus. Für ihr Engagement wurde sie für den Friedensnobelpreis 2024 nominiert.
Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen wahrzunehmen ist für Menschen in Russland und in Belarus und auch in der Ukraine äußerst schwierig. In Russland und Belarus gibt es diese Möglichkeit zwar noch, sie ist aber kaum bekannt, und eine Berufung darauf birgt das Risiko von Verfolgung und Gefängnis. In der Ukraine wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt und Kriegsdienstverweigerer werden mit harten Strafen bedroht.
Das Europaparlament hat im Februar 2023 die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Russ*innen und Belaruss*innen, die wegen ihres Protestes gegen den Krieg verfolgt wurden, sowie Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern Asyl zu geben. Die europäischen Behörden und Mitgliedsländer schützen Kriegsdienstverweigerung und Deserteure jedoch nicht hinreichend, so lautet die ernüchternde Feststellung von Teilnehmer*innen der Konferenz, obwohl die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die 2009 in Kraft trat, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und das Recht auf freie Rede ausdrücklich anerkennt.
„Dass dies nicht geschieht, bedeutet beides: Menschen einem Risiko auszuliefern und andere zu entmutigen, sich gegen den Krieg zu wehren, statt sie willkommen zu heißen“‚ so Tracey Martin vom Brüsseler Büro des Quaker Council for European Affairs während der Konferenz. „Gewaltfreiheit bedeutet nicht nur eine direkte Antwort auf gewaltförmige Konflikte zu entwickeln, sondern auch, die Gewaltspirale zu unterbrechen, z.B. indem man sich dem Krieg entzieht bzw. Menschen unterstützt, die ihr Recht auf Kriegs-dienstverweigerung wahrnehmen.“ Viele ukrainische Männer, die zum Wehrdienst einberufen werden können, sind durch vorübergehende Maßnahmen der EU geschützt. Sie können allerdings ihre Pässe nicht erneuern und haben trotz ihres Aufenthaltes in der EU nur begrenzten Schutz. Ein Antrag auf Asyl hat in der Regel jedoch keinen Erfolg, da die Verfolgung bei Desertion oder Kriegsdienstverweigerung nicht als Asylgrund gilt.
Auch russische und belarussische Kriegsdienstverweigerer bekommen in aller Regel kein Asyl, stattdessen begegnet ihnen Misstrauen. Mit Erschrecken wurde zur Kenntnis genommen, dass ein russischer Kriegsdienstverweigerer in Litauen kein Asyl erhielt und nach Russland zurückgeschickt wurde. „Das ist wie ein Todesurteil“, wurde von baltischen Teilnehmenden kommentiert
Die russische Regierung scheut eine Zwangsmobilisierung, weil sie Proteste der Bevölkerung befürchtet. Die Rekrutierung nordkoreanischer Soldaten für den Ukrainekrieg macht dies deutlich. Auch in Belarus könnte die Verweigerung des Kriegsdienstes durch wenige tausend Menschen schon die Stimmung zum Kippen bringen, so Olga Karach. Deshalb sei die breite Unterstützung der Kriegsdienstverweigerer so wichtig. Zusammen mit Connection e.V., der internationalen Kampagne für Kriegsdienstverweigerung und Desertion, fordert Church and Peace die Europäische Union sowie die europäischen Regierungen auf, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu gewährleisten und Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigerer, Deserteure*innen und Kriegsgegner*innen aus Russland, Belarus und auch der Ukraine zu gewähren.
Pressekontakt:
OKRin i.R. Antje Heider-Rottwilm, Vorsitzende von Church and Peace, +49 172 5162 799