August 2019. Vom 19. – 23. August 2019 fand in Lindau am Bodensee die Weltversammlung von Religions for Peace statt. Als Vertreter*innen der Mennoniten in Deutschland und der Friedenskirchen in Europa nahmen Lydia Funck, Generalsekretärin von Church and Peace, Fernando Enns, Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen Hamburg, sowie Andrew Lane, Quaker Council for European Affairs, an der Versammlung teil.

Als ein multi­reli­giöses Friedenssymbol wurde der Ring of Peace in einer Zeremonie eingeweiht. Als „rundes Ganzes“, in sich Gleiches und Vollkommenes, symbolisiert der Ring die sich ergänzende und gegenseitig komplettierende Eigenschaft von Weltreligionen, die in ihrer Einheit die Gesamtheit des Bewusstseins abbilden.
©️ Ring for Peace

„Religions for Peace macht Ernst mit der Überzeugung, dass Religionen kein Anlass mehr sein dürfen für Unfrieden und Krieg, sondern dass sie im Gegenteil Werkzeuge des Friedens sein können – und sogar sein müssen.“ fasst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Eröffnungsrede die Beudeutung der größten und repräsentativsten interreligiösen Organisation der Welt zusammen.

Darum ging es den rund 900 religiösen Führungspersönlichkeiten aller Religionen aus 100 Ländern aus Afrika, Asien, Australien und Ozeanien, Europa, Nord- und Südamerika, die über das übergreifende Thema „Für unsere gemeinsame Zukunft sorgen: das Gemeinwohl für alle fördern“ nachdachten und diskutierten. Fünf Unterthemen, wie diese gemeinsame Zukunft realisiert werden soll, gliederten den Ablauf der vier Tage: 1. Verhinderung und Transformation gewaltsamer Konflikte; 2. Förderung gerechter und harmonischer Gesellschaften; 3. Nachhaltige und ganzheitliche menschliche Entwicklung; 4. Schutz der Erde; und 5. Positiver Frieden.

Baumpflanzaktionen für mehr Klimabewusstsein

Die Arbeit von Religions for Peace ist nach Weltregionen organisiert, sodass zu verschieden Gelegenheiten von regionalen Ereignissen und Vorbereitungen der Versammlung berichtet wurde. Besonders auch die europäsichen Jugendlichen brachten ihre Programmideen zu den fünf Unterthemen in Lindau ein.

Religions for Peace In der Jugendvorversammlung arbeiteten die Jugenddelegierten aus aller Welt an den Fragestellungen des Konferenzthemas. ©️ Ring for Peace/Christian Flemming

Darunter war zum Beispiel eine Kampagne (Let Earth Breathe – Plant a Tree), um Religionsgemeinschaften zu ermutigen, konkrekt durch das Pflanzen von Bäumen gegen den Klimawandel vorzugehen. Gemeinsam mit Lehrmaterial für die lokale Gemeinde (u.ä.) soll dies als praktischer und zugleich symbolischer Akt Bildung zu ökologischer Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit fördern und das Klimabewusstsein schärfen. Erste Aktionen in diesem Zusammenhang sind schon in Großbritannien geplant.

Unter den Eindrücken des brennenden Amazonas, beschlossen die Delegierten von Religions for Peace, die interreligiöse Regenwaldinitiative zu unterstützen und sich für den Schutz der Regenwälder weltweit einzusetzen.

Ge- und Missbrauch von Sprache

In vielen Zusammenhängen wurde „Hassrede“ thematisiert, die in allen Gesellschaften und Religionen eine Herausforderung zu bilden scheint. Die europäischen Jugenddelegierten schlugen vor, Workshops und Begegnungsformate durchzuführen unter dem Titel „Sprache für Veränderung“ (Speech for Change), um Extremismus und der Zunahme religiös und ethnisch motiviertem Nationalismus entgegenzuwirken. Mit einem Pilotprojekt soll in Bosnien an einem positiven Dialog unter Jugendlichen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten gearbeitet werden, um Vorurteile abzubauen, ein friedlicheres Zusammenleben zu ermöglichen und gewaltsame Konflikte zu transformieren und zu verhindern.

Starke Frauen des Glaubens

Neben Ansprachen, thematischen Inputs und Plenarsitzungen waren vor allem die persönlichen Erfahrungsberichte der Teilnehmenden auf der Bühne und abseits davon, während den Pausen bewegend. So berichteten zum Thema „Frauen als Friedensstifterinnen in der Region Naher und Mittlerer Osten/ Nordafrika“ vier Frauen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit von ihren Erfahrungen und ihrer Arbeit für den Frieden. Eine von ihnen war Layla Alkhafaji, die 10 Jahre im irakischen Gefängnis verbrachte, weil sie sich dem Saddam-Regime widersetzte. „Dort fand ich ein tieferes Verständnis dafür, was Freiheit bedeutet“, sagt sie und ermutigt die Anwesenden: „Ein geschundener Körper, aber niemals ein gebrochener Geist! Fasst Mut in den Schwierigkeiten, denn sie stärken den Willen, für einen Wandel zu arbeiten!“

Auch die Frauen des Glaubens (Women of Faith) – Netzwerke von Religions for Peace gibt es auf den gloablen, regionalen, nationalen und lokalen Arbeitsebenen der Organisation. Erstmals wurde nun als Generalsekretärin eine Fau an die Spitze der weltweit aktiven Organisation gewählt. Für die nächsten Jahre wird Dr. Azza Karam, eine aus Ägypten stammende Muslima zuletzt als Beraterin für soziale und kulturelle Entwicklung beim Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen und Professorin an der Vrije Universiteit Amsterdam tätig, die Geschäfte von Religions for Peace führen. In ihrer Antrittsrede betonte sie, dass Liebe, Barmherzigkeit und Mitgefühl die Säulen sind, auf denen Religions for Peace auch in Zukunft stehen wird.

Prof. Dr. Azza Karam ist neue Generalskretärin von Religions for Peace. ©️ Ring for Peace

Atomwaffen – nein Danke!

Ein vierseitiges Abschlussdokument hält fest, auf was sich die Delegierten geeinigt haben und was die Vereinbarungen für die zukünftige Arbeit von Religions for Peace ist.

Church and Peace begrüßte den Beschluss der Vollversammlung, dass Religions for Peace als voller Partner die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) unterstützt. ICAN hatte im Jahr 2017 für ihr Engagement für einen internationalen Atomwaffenverbotsvertrag den Friedensnobelpreis erhalten. Durch die Unterstützung von Religions for Peace und damit Religionsgemeinschaften aus aller Welt wird so die Chance größer, dass bald die notwendige Zahl von ratifizierenden Staaten erreicht wird, damit der UN-Vertrag in Kraft treten kann und somit nukleare Waffen durch das internationale Recht illegalisiert werden. (Church and Peace hatte dazu Anfang August einen Aufruf an die europäischen Kirchen gestartet.)

Chancen zur Konflikttransformation nutzen

In der Vergangenheit waren kaum Friedenskirchen aus Europa auf den Versammlungen von Religions for Peace vertreten. Wie auch in der weltweiten Ökumene bleibt es eine Herausforderung, die reichhaltigen Themen und Diskussionen aus dieser großen Versammlung auch auf lokaler Ebene in Gemeinden und Glaubensgemeinschaften aufzugreifen, zu vertiefen und in die Praxis umzusetzen.

Die besondere Chance und den Mehrwert dieses Treffens sieht Fernando Enns darin, dass sich hier Vertreterinnen und Vertreter von Religionen aus der ganzen Welt treffen, die sich zum Thema des Friedens und ihren eigenen Rollen darin auszutauschen. „Es ist nicht nur eine weitere Initiative zum interreligiösen Dialog, sondern der Fokus liegt auf dem was die einzelnen Gruppen, wenn sie zusammenarbeiten, für den Frieden bewegen können.“ Das gemeinsame Nachdenken über und die konkrete Zusammenarbeit für Frieden über konfessionelle und religiöse Grenzen hinweg, ist nicht nur in anderen Regionen der Welt sondern auch in Europa notwendig und zukunftsweisend.

Am Rande der Versammlung trafen sich Delegationen aus verschiedenen Konfliktregionen der Welt, darunter aus Myanmar, Lateinamerika und Südsudan und Sudan, berieten über ihre Konflikte und vereinbarten Wege hin zur Transformation. – Dies ist eine der einzigartigen Möglichkeiten, die solch eine Versammlung bietet.

Weiterführende Links:

Die Abschlusserklärung auf Deutsch: https://de.ringforpeace.org/wp-content/uploads/2019/08/20190823_Deklaration_RfP_10-Weltversammlung_DE.pdf

Die Abschlusserklärung auf Englisch: https://rfp.org/wp-content/uploads/2019/09/Assembly-Declaration-FINAL-for-printing.pdf

Hintergrundinformationen und Pressemitteilungen zur Versammlung von der Stiftung Ring for Peace: https://de.ringforpeace.org/presse/pressemitteilungen/

Weitere Bilder und Eindrücke auf dem Instagram-Account von Church and Peace: www.instagram.com/church_and_peace