Versöhnung stiften

Wethen, 22. April 2021.  Auch Church and Peace ist durch die Selbstverpflichtungen der Charta Oecumenica, die heute vor 20 Jahren von den Kirchen Europas unterzeichnet wurde, herausgefordert, erinnert die Vorsitzende Antje Heider-Rottwilm. 

In diesen Monaten gehen meine Gedanken oft in die Zukunft, nach Straßburg. Wird es möglich sein, dass wir uns als Church and Peace-Netz im September dort endlich wieder zu unserer jährlichen internationalen Konferenz treffen, uns lebendig, von Angesicht zu Angesicht begegnen?

In diesen Monaten gehen meine Gedanken auch oft zurück nach Straßburg. Vor 20 Jahren, im April 2001, wurde dort von den Präsidenten der Konferenz Europäischer Kirchen und des Rates der Europäischen katholischen Bischofskonferenzen die Charta Oecumenica (COe) unterzeichnet.

Darum ging es: „Auf unserem europäischen Kontinent zwischen Atlantik und Ural, zwischen Nordkap und Mittelmeer, der heute mehr denn je durch eine plurale Kultur geprägt wird, wollen wir mit dem Evangelium für die Würde der menschlichen Person als Gottes Ebenbild eintreten und als Kirchen gemeinsam dazu beitragen, Völker und Kulturen zu versöhnen.

Seit der Europäischen Ökumenischen Versammlung 1997 in Graz waren verschiedene Entwürfe intensiv europaweit in den Kirchen diskutiert worden – und nun kamen junge und alte Frauen und Männer aus ganz Europa zusammen, um diese Unterzeichnung mit ihrem Gebet und ihren Zukunftshoffnungen zu feiern und die Verpflichtung mitzunehmen, die Charta mit Leben zu erfüllen.

Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ (Matthäus 5,9), so steht es über dem III. Abschnitt der COe „Unsere gemeinsame Verantwortung in Europa“.

Die Selbstverpflichtungen der Kirchen sind klar und unmissverständlich: „Wir engagieren uns für eine Friedensordnung auf der Grundlage gewaltfreier Konfliktlösungen. Wir verurteilen jede Form von Gewalt gegen Menschen, besonders gegen Frauen und Kinder. Zur Versöhnung gehört es, die soziale Gerechtigkeit in und unter allen Völkern zu fördern, vor allem die Kluft zwischen Arm und Reich sowie die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge und Asylsuchende in Europa menschenwürdig aufgenommen werden.“ (III.8)

Immer wieder sind wir durch die Selbstverpflichtungen der Charta Oecumenica herausgefordert – wir als Netz von Church and Peace und die Kirchen, mit denen wir um den Weg der Nachfolge Jesu und damit um die Eindeutigkeit der gewaltfreien Transformation von Konflikten und die Absage an militärische Optionen ringen.
Immer wieder müssen wir wahrnehmen, dass in diesem Europa „zwischen Atlantik und Ural, zwischen Nordkap und Mittelmeer“ die Menschenwürde verletzt und von diesem Europa Gewalt ausgeht. In einer internationalen Zoom-Diskussion wurden wir im Herbst von Rosá Björk Brynjólfsdóttir, Mitglied der Parlamentarischen Versammlung und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Migration, Flüchtlinge und Vertriebene des Europarats eindrücklich daran erinnert.

In Pressemitteilungen und Kampagnen mit anderen Organisationen und Unterstützung von Aktionsbündnissen wie United4Rescue setzen wir uns daher weiterhin dafür ein, „dass Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge und Asylsuchende in Europa menschenwürdig aufgenommen werden“.

Die Zusammenhänge von Rassismus, Macht und Sexismus nehmen wir als Herausforderung für Friedenskirchen wahr, der wir uns zu stellen begonnen haben. Dabei sind die Erfahrungen unserer Mitglieder und Freund*innen in Großbritannien und Irland besonders hilfreich, von denen wir mehrfach in online Diskussionen mit der Region profitiert haben. Auch das wird uns in der Konferenz in Straßburg unter dem Thema „Gottesbilder und Gewaltfreiheit“ beschäftigen.

Und nicht zuletzt begleiten wir engagiert die Entwicklungen in der Europäischen Union: Tragen sie dazu bei „Völker und Kulturen zu versöhnen“? Unser Statement zum Abschluss einer langen Phase politischer Entscheidungen im Zusammenhang des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021 – 2027 macht deutlich, dass wir die Finanzierung von Rüstungsforschung und -produktion aus dem EU-Haushalt für einen gravierenden Paradigmenwechsel halten und auch weitere Beschlüsse zu militärischen Optionen das ‚Friedensprojekt Europa‘ infrage stellen. Wir bedauern den nun vertraglich zementierten Brexit, zumal uns die Gefahr, dass der mühsam eingedämmte Nordirland-Konflikt wieder aufbricht, beunruhigt.

Weiterhin werden wir uns dafür einsetzen, dass die EU Menschenrechte und Klimagerechtigkeit und Europa als Friedensprojekt stärkt, statt menschliche und finanzielle Ressourcen in Rüstung und militärischen Aktionen zu binden.

Die Charta Oecumenica endet mit der Bitte, die bei der Unterzeichnung vor 20 Jahre wie auch in unserer Zukunft gilt: „Der Gott der Hoffnung erfülle uns mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit wir reich werden an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.“ (Römer 15,13)

 

Lesen Sie die Charta Oecumenica und erfahren Sie mehr über ihre Wirkung auf lokaler Ebene.

Lesen Sie die Stellungnahme von Church and Peace zu sicherheitspolitischen Entscheidungen, die unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft getroffen wurden.