Mitteilung des Vorstands von Church and Peace
Wethen, 1. Juni 2023
Bei seiner Tagung vor wenigen Tagen in der Mennonitengemeinde Frankfurt stellte der Vorstand von Church and Peace mit Enttäuschung fest, dass der G7-Gipfel in Hiroshima die Chance vertan hat, an diesem historischen Ort entschieden für atomare Abrüstung einzutreten.
Zuvor hatte Church and Peace zusammen mit anderen Unterstützer*innen der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Scholz gefordert, den G7-Gipfel zum Startpunkt neuer nuklearer Abrüstungsverhandlungen zu machen, inklusive der Forderung, jede Stationierung auf dem Territorium anderer Staaten zu beenden.
Wie dringend eine solche Initiative wäre, zeigen die aktuellen Pläne für die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus.
Mit der Entscheidung des G7-Gipfels, Kampfjets an die Ukraine zu liefern, hat sich darüber hinaus die Gefahr einer weiteren Eskalation bis hin zum Einsatz atomarer Waffen im Krieg gegen die Ukraine erhöht.
Der völkerrechtswidrige, brutale Angriff Russlands auf die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Wir sind zutiefst beunruhigt, dass es bis heute keine erkennbaren Bemühungen um Verhandlungen gibt und stattdessen alle Seiten auf militärische Lösungen setzen. Auch mit Blick auf den Konflikt zwischen China und Taiwan ist die Suche nach nicht-militärischen Lösungen überlebensnotwendig.
Stattdessen erleben wir europaweit, dass Menschen, die nicht auf militärische Lösungen vertrauen und um der Toten und der Zerstörungen willen Verhandlungen fordern, diskreditiert und lächerlich gemacht werden.
Mitglieder von Church and Peace in Südosteuropa führen uns vor Augen, was es bedeutet, mit der Erinnerung an einen Krieg zu leben, auch 30 Jahre danach: Traumatische Leiden aus den Kriegsjahren brechen wieder auf, wie etwa das Erleben von willkürlichem Ausgeliefertsein. Fake News verunsichern und schränken die Handlungsfähigkeit ein. Wie aktuell in Serbien deutlich wird, ist die Bewaffnung im privaten Bereich dramatisch und damit auch die Gewalt in Gesellschaft und Familie, besonders gegen Frauen.
Das Pfingstfest hat uns erinnert an die prophetische Verheißung:
„Sein wird’s in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich von meiner Geistkraft ausgießen auf alle Welt, dass eure Söhne und eure Töchter prophetisch reden, eure jungen Leute Visionen schauen und eure Alten Träume träumen.“ (Apostelgeschichte 2,14ff)
An Pfingsten vergewissern wir uns, dass die Prophetie damals geschah und heute geschieht, dass Visionen und Träume Wirklichkeit wurden und werden. Das bedeutet:
- statt Hoffnungs- und Mutlosigkeit eine Kultur des Lebens und der Erneuerung,
- statt babylonischer Sprachverwirrung eine Kultur der Verständigung,
- statt Macht und Ausbeutung eine Kultur des gerechten Teilens,
- statt Diskriminierung und Gewalt eine Kultur der Gleichberechtigung und Versöhnung.
Umso schmerzlicher ist, dass auch Kirchen weiterhin daran beteiligt sind, Sprache und damit Wahrheit zu verdrehen, zu polarisieren und zu dämonisieren, Diskriminierung zu legitimieren und Versöhnung zu verhindern und sich so instrumentalisieren lassen von politischen Interessen.
Wir rufen Kirchen und religiöse Gemeinschaften auf, die Visionen und Träume wachzuhalten von einer gerechten und gewaltfreien Welt und daher
- alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das hunderttausendfache Sterben in Kriegen und an den Außengrenzen Europas endlich zu stoppen,
- selektive Wahrheiten, Fake News und Hate speech zwischen den Menschen und in den Medien zu entlarven,
- zu einer Kultur des Teilens zu ermutigen, die Menschen am Rande der Gesellschaften wie auch geflüchtete Menschen einbezieht,
- Entfeindung zu ermöglichen und Räume der Verständigung zu eröffnen,
- sich energisch einzusetzen für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus allen Krisengebieten, wie aus der Ukraine, so auch aus Russland und Belarus,
- den Vorrang der Gewaltfreiheit durch zivile Konflikttransformation, gewaltfreie Aktionsformen und soziale Verteidigung im politischen Handeln einzufordern.
Pfingsten ermutigt und verpflichtet uns alle, die Visionen der Jungen, der Söhne und Töchter, von einer lebenswerten Zukunft nicht zu zerstören, sondern sie zu teilen und zu bestärken.